KRANKENHAUSCLOWNS: Schminke erlaubt uns, Gefühle zu zeigen

DONNERSTAG, 7. MAI 2015

KRANKENHAUSCLOWNS. Fränkische Kliniken setzen für ihre jungen Patienten auf heitere Medizin: Neun rote Nasen vom Nürnberger Clown-Projekt e. V. bringen jede Woche (schwer-)kranke Kinder und Jugendliche zum Lachen. Eine davon gehört Judith Niehaus.

Straßenkreuzer: Frau Niehaus, ist Lachen die beste Medizin?
Lachen ist nicht die beste, aber die schönste Medizin. Lachen macht gesund und das Leben wieder lebenswert. Es setzt Endorphine frei, gibt ein gutes Körpergefühl, macht wacher und offener. Wenn man mal wieder so richtig lacht, sieht man vieles anders.
Sie heitern mit ihrer Arbeit ein ganz besonderes Publikum auf. Ich trete als Clown Fanta im Rahmen des Clown-Projekts in fränkischen Krankenhäusern auf. Wir bringen kranke Kinder und Jugendliche zum Lachen. Wir begegnen ganz unterschiedlichen Kindern. Eins hat sich vielleicht verbrannt oder eine Blinddarmentzündung. Manche sind chronisch krank, zum Teil schwer. Andere haben ein krankes Herz oder Krebs. Leid ist etwas subjektiv Erlebtes. Und das ist auch das Faszinierende am Spiel: Dem Clown ist die Krankheit völlig egal. Er ist erst einmal neugierig auf das Kind.

Wie unterscheidet sich die Arbeit im Krankenhaus von der auf der Bühne?
Im Krankenhaus herrscht eine labile und fragile Atmosphäre. Da braucht man eine andere Vorgehensweise als auf der Bühne, wir improvisieren hauptsächlich. Die Arbeit ist sehr anspruchsvoll und sensibel – eine Lebensaufgabe. Dafür trainieren wir einmal im Monat. Auf der Bühne kommt das Publikum zu uns, in der Klinik ist es umgekehrt: Wir gehen zu ihm. Wir müssen zunächst abklären, welche Kinder wir besuchen dürfen. Das Krankenhauspersonal informiert uns über wichtige medizinische Dinge, die es beim Spielen zu beachten gilt, zum Beispiel dass ein Kind nicht aufstehen darf. Die Diagnose erfahren wir nicht, um nicht zu verkopt und möglichst ohne vorgefertigtes Bild vorzugehen.

Wie sorgen Sie für heitere Stimmung in der Klinik?
Wir gehen von Zimmer zu Zimmer. Wenn ein Kind nicht will, respektieren wir das und gehen weiter. Wichtig ist, präsent zu sein. Wir treten nur als Duo auf. Denn zwei Clowns können mehr beobachten und wahrnehmen, etwa die Stimmung der Anwesenden, und besser darauf und eben aus der Situation heraus reagieren. Wir betreten das Zimmer und nehmen zunächst den Moment wahr. Je nach Stimmung und Krankheit beginnen wir zu improvisieren. Als Duo spielen wir erst einmal miteinander. Wir binden dann auch Kinder und Eltern aktiv mit ein. Dabei kann sich ein Spiel ergeben, das man vorher im Traum nicht erwartet hätte.

Zum Beispiel?
Meine Kollegin Pupille schmachtet einen Vater an und trällert französische Chansons. Der Vater spielt mit. Fanta ist das peinlich. Zur Freude des Kindes trägt sie die singende Kollegin aus dem Zimmer.

Wie kann ein komisches Spiel noch aussehen?
Fanta klopt an, geht ins Zimmer, stellt ihren Kofer ab und schaut sich nach ihrem Kollegen um. Statt einzutreten schiebt dieser nur den Kofer ins Zimmer. Langsam kommt er nach und schiebt seinen Kofer viel zu nah an den von Fanta. Das gefällt wiederum Fanta nicht. Das ist komisch und zugleich haben wir die Möglichkeit, mit Nähe und Distanz zu spielen. Oder: Fanta spielt gerne auf ihrer Blocklöte (ohne Kopf.) Ihr Kollege hasst die lauten Töne und zieht genervt seinen Hut über die Ohren.

Was für ein Clown ist Fanta?
Fanta ist neugierig und begeisterungsfähig, kann mal über das Ziel hinausschießen. Sie ist gesellig und anlehnungsbedürtig – ein Kumpeltyp, der für jeden Spaß zu haben ist. Sie kann nicht viel, aber das mit Überzeugung. Meistens ist sie gut drauf und kann nie lange sauer das, das nervt mich manchmal. Fanta kann auch besorgt sein, wenn ein Kind zum Beispiel plötzlich Atemnot hat. Der Clown Fanta fühlt mit und zeigt das, ohne dass Judith privat in Mitleid versinkt.

Wie viel steckt von Ihnen in Fanta?
Sobald ich die Maske, also die rote Nase, auhabe, bin ich in der Rolle drin und eine vielleicht besorgte Judith ist verschwunden. Wenn ich die Nase aufziehe, ist das ein ganz privater Moment, in dem ich in die Körperlichkeit und Vorstellungswelt von Fanta hineingehe. Es ist dann ganz einfach, Judith draußen zu lassen. Schminken und umziehen sind die Vorbereitung dafür. Dabei stelle ich mich innerlich auf Fanta ein, stelle mir vor, dass sie zum Beispiel kurze Beine und unbeweglichere Arme hat. So spiele ich sie dann auch. Die Spielfreude hat sie aus meiner Kindheit. Natürlich kann es sein, dass mich Schicksale nach dem Spiel beschätigen.

Was sind die Vorteile, als Clown vor kranken Kindern zu spielen?
Ein Clown hat die Möglichkeit zu berühren, auch dank der Schminke. Geschminkt gilt man eigentlich als künstlich. Doch gerade Schminke und rote Nase erlauben uns, Gefühle zu zeigen, geben uns Narrenfreiheit. Sie bringen uns näher an Herzen, an die Kinder ran. Ein Clown ist jemand, der scheitert, aber naiv immer wieder von vorne anfängt. Er stolpert, fällt hin und steht wieder auf. Das verbindet ihn mit Kindern: Sie fallen hin, weinen, stehen wieder auf und lachen. Er ist – wie ein Kind – in seinen Emotionen sehr ließend.

Was wollen Sie mit dem Spiel erreichen?
Leichtigkeit in die Zimmer bringen und die Stimmung heben! Wir haben keinen Anspruch, dass gelacht wird.

Lachen ist nicht der Erfolgsgarant?
Natürlich ist es schön, wenn die Stimmung bereits gut ist und nach dem Spiel noch besser ist. Ot kommt man aber in eine schwere Atmosphäre hinein. Man kann richtig spüren, dass die Anwesenden gestresst oder angespannt sind, sieht, dass Patienten oder Eltern gerade geweint haben. Ein Erfolg ist hier, wenn beim Verlassen des Zimmers Ruhe eingekehrt und die Anspannung weg ist. Hat ein Kind Angst, ist es positiv, wenn es das Spiel zulässt. Schön ist auch, wenn sich zum Beispiel bei einem schwerbehinderten Kind, das sich kaum bewegen kann, das Gesicht völlig entspannt.

Kann für den Clown das Spiel auch mal unlustig sein?
Wir haben auch schon negative Kommentare und Reaktionen bis hin zu sexistischen Bemerkungen bekommen, etwa von halbstarken Jugendlichen. Selbst da kann man als Clown auf die Situation eingehen und ein Spiel daraus machen. Wir wurden auch schon aus kulturellen oder religiösen Gründen abgelehnt. Das alles darf man nicht persönlich nehmen. Wichtig ist, nicht beleidigt zu sein und die Spielfreude nicht zu verlieren.

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curt-Kids bedankt sich beim Straßenkreuzer und bei Severine für den Artikel!
Interview: Severine Weber, Straßenkreuzer Redaktion
Fotos: Annette Kradisch, www.fotodesign-kradisch.de


Clown-Projekt e.V. gibt es bereits seit 1999, seit 2005 als gemeinnützigen Verein, den Judith Niehaus mitgegründet hat. Derzeit besteht die Truppe aus neun Clowns. Sie haben alle eine künstlerische und/oder medizinische Ausbildung, unter anderem als Schauspieler, Tänzer, Pantomime oder Krankenpleger. Judith Niehaus selbst ist Ergotherapeutin und ausgebildeter Krankenhausclown. Die roten Nasen spielen unter anderem wöchentlich in den städtischen Kliniken in Nürnberg und Fürth, alle zwei Wochen an der Uni-Klinik in Erlangen. Die Krankenhäuser zahlen nichts für die Auftritte. Spenden und Förderungen ermöglichen das Spiel.




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Stichwort: Interview, Klinik, Krankenhaus, Clown
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